Für mich gibt es ein Leben davor und ein Leben danach.Genauer gesagt änderte sich mein ganzes Leben als die Diagnose der paranoiden Schizophrenie festgestellt wurde.Paranoide Schizophrenie ist eine psychische Erkrankung, die dem Betroffenem die Grenzen zwischen Realität und Halluzinationen aufweichen lässt.Zu den Symptomen gehören Halluzinationen wie das Hören von Stimmen im Kopf ( nur im Kopf ). Die Stimmen hören sich real an, sind aber nur Täuschungen des eigenen Gehirns.Oft sind diese Stimmen beleidigend, kommentierend und fordern gar zum Suizid auf.Zu den Symptomen gehören auch Wahnvorstellungen wie etwa das Gefühl verfolgt und abgehört zu werden sowie sogenannte Ich-Störungen in der man glaubt die eigenen Gedanken seien von Außerhalb eingeflößt wurden.
Ich bin in den neunzigern in Norddeutschland geboren, ging zur Schule und absolvierte mein Abitur. Nach dem Abitur fing ich aus der fehlenden beruflichen Orientierung ein Freiwilliges Soziales Jahr in einer Kita an. Das FSJ dauerte ein Jahr und ab ca. der mitte des FSJ´s fingen die seltsamen Dinge an. Ich fühlte mich depressiv und ausgelaugt. Mein Antrieb minderte sich stetig und die ganze Wahrnehmung änderte sich. Ich fühlte mich einfach ausgedrückt komisch und seltsam. Ein Gefühl dass ich im Leben zuvor nicht hatte. Dann fingen die ersten Wahnvorstellungen an, wie das Gefühl, dass eine Kollegin schlecht über mich rede, obwohl es dazu überhaupt keinen Anlass gab. Auch dachte ich zunehmend verfolgt zu werden und dass alle mich nicht ausstehen können. Natürlich kann es diese Gedanken auch bei normalen Menschen geben, aber in meinem Fall war es ziemlich überspitzt. Ich beendete frühzeitig das FSJ kurz vor Ostern und an Ostern fing die Katastrophe erst richtig an. Über Nacht an Ostersamstag konnte ich nicht schlafen und halluzinierte stark. Dämonen in dunkeln Gewändern schwebten über mir, fesselten und folterten mich. Zwar weiß ich jetzt, dass es nicht real war, aber es war verdammt nochmal gefühlt sehr real und echt. Nach diesem Erleben stürzte ich in eine schwere Depression und über Wochen hinweg verließ ich die Wohnung nicht. Ich verbarrikadierte mich in meinem Bett und mindesten zwei Wochen herrschte der Ausnahmezustand. Der Rhythmus von Tag und Nacht verschwamm und ich zu absolut nichts in der Lage, geschweige denn was zu tun. Alle dachten ich hätte eine schwere Depression bis es plötzlich von einer Nacht auf die nächste ein gefühlter Hebel gezogen wurde. Ich rutschte in eine starke Manie, einer Explosion an Antrieb und Selbstvertrauen. Ich fühlte mich super stark , toll und phänomenal. Ich war plötzlich ein ganz neuer Mensch. In dieser Manie fing ich ein Jurastudium an, zog aus dem Elternhaus aus und suchte mein Glück in einer anderen Stadt gar einem anderen Bundesland. Das beginnende Studium samt Partys und den Freiheiten als Student genoß ich in vollen Zügen. Dieser Zustand dauerte ein paar Monate an bis wieder der Hebel im Kopf umgelegt wurde. Ich stürzte wieder in eine tiefe Depression noch stärker als zuvor. Diesmal verbarrikadierte ich mich im Studentenwohnheim im Zimmer und verbrachte dort die meiste Zeit alleine. Nur Nachts traute ich mich raus, wenn Niemand auf der Straße war. Ich hatte wieder das Gefühl alle hassen mich und können mich nicht ab. Ich hatte Angst vor den Menschen und glaubte diese können meine Gedanken lesen. Meine Gedanken waren gefühlt schwammig und nicht klar und immer schärfer und lauter nahm ich Stimmen wahr, die mich beleidigen und zum Suizid auffordern. Diese Aufforderungen der Stimmen wurden immer lauter und aufdringlicher bis ich schließlich sogar einen Suizid plante. Ich wusste irgendwas stimmte gewaltig nicht mit mir und versuchte Hilfe zu finden. Jedoch weiß ich nicht mehr, warum es nicht früher gelang Hilfe zu bekommen und es musste erst was passieren bis ich diese bekam. Keiner wusste was mit mir los ist und ich selbst erst recht nicht. Meine Kommilitonen riefen meine Familie an die mich schließlich wieder in meine Heimatstadt zurückholten. Es dauerten schmerzende Wochen an mit den Symptomen und der Unkenntnis was los war. Bei drei Ärzten hatte ich ein Gespräch, jedoch verbarg ich meine Geheimnisse und konnte diese nicht verraten. Bis zu dem Tag als ich die Stimmen nicht ertrug und ich auf die Bahngleise ging um das Leben zu beenden. Auf der einen Seite waren die Stimmen, die mich zum Selbstmord aufforderten und auf der anderen Seite mein vernebelter Verstand der mir klar machte, dies könne so nicht weitergehen. Also verließ ich die Gleise wieder und ging zur nächsten Polizeiwache . Dort verriet ich von meinen suizidalen Gedanken und wurde in eine Psychiatrie gebracht. Dort verbrachte ich die Nacht ehe am nächsten Morgen der diensthabende Arzt mit mir sprach. Zunähst versuchte ich wieder meine Halluzinationen zu verbergen, doch der Arzt musste einen Verdacht geschöpft haben, dass ich nicht ganz ehrlich war und dieser bohrte mich zwei Stunden mit Fragen bis es aus mir platzte. Ich verriet von den Stimmen, dem Wahn und des Erlebten. Dann kam sie. Die Diagnose: Paranoide Schizophrenie von der ich früher nie hörte. Zunähst glaubte ich an eine Persönlichkeitsspaltung wie man es beim Wort Schizophrenie denkt, doch es ist was ganz anderes. In der Fachsprache ausgedrückt ist bei einer Psychose wie die Schizophrenie der Nervenhaushalt im Gehirn gestört. An den Rezeptoren im Gehirn in der die Informationen übermittelt werden gibt es eine erhöhte Vermittlung von Dopamin. Dies kann zum Beispiel bei erhöhtem Stress dazu führen, dass eben dieser Transmitter die Schaltstelle zwischen den Rezeptoren überfordert und es dadurch zu falschen Informationen kommt, die als Halluzinationen wahrgenommen werden. Also Täuschungen die auf den Haushalt der Nerveninformationen im Gehirn zurückführen. Dieser Haushalt kann aber dank Medikamente wieder reguliert werden und die Symptome unterdrücken. Oft haben diese Medikamente aber starke Nebenwirkungen und genau diese sind ein großes Problem für den Erkrankten. Ich bekam im Krankenhaus diverse Medikamente verschrieben wie zum Beispiel Risperdal die zwar die Symptome linderten, aber starke Nebenwirkungen hatten wie Gewichtszunahme, Müdigkeit oder eine Steifheit in den Bewegungen. Eine Psychose wie die Schizophrenie beginnt bei Männern früher als bei Frauen. Oft beginnt sie mit einer Minussymptomatik sprich einem minderen Antrieb und depressive Verstimmung. Die Plussymptomatik ist die Akutphase der Psychose. In der treten die Symptome auf, wie eben Stimmen hören oder Verfolgungswahn. Werden jetzt Medikamente gegen die Plussymptomatik gegeben so können sie diese lindern, aber nicht voll verschwinden lassen, sodass eine längere Zeit an Medikamenteneinnahme zu rechnen ist. Nach der Akutphase tritt wieder die Minusphase ein, in der man sich wieder ausgelaugt, erschöpft und müde fühlt. Um wieder einen gewissen Sprung in ein aktives Leben zu finden bedarf es vor allem Zeit, Geduld und die stetige Medikamenteneinnahme. Dies alles hatte ich nicht. Ich setzte oft die Medikamente eigenhändig ab und rutschte immer wieder in neue Psychosen, eine stärker als die zuvor. In meinen Akutphasen habe ich viel, ich will nicht sagen Fehler, aber blöde Sachen gemacht und gesagt. Oft hatte die Erkrankung mehr mich im Griff als ich sie. Es dauerte in meinem Fall ziemlich Lange bis ich kapierte dass der Weg nur mit Disziplin, Tagesstruktur und den Medikamenten gut gehen kann, sofern ich ein möglichst normales Leben führen möchte und genau das will ich. Ich möchte selbstbestimmt Leben mit der größtmöglichen Gesundheit, die oft nur mit Hilfe Dritter möglich ist. Man braucht keinen Scham, wenn man psychische Probleme hat. Es kann jeden treffen und aus der Bahn bringen. Noch weniger Scham sollte man haben sich Hilfe zu suchen. In Deutschland jedenfalls ist diese sicher gestellt mit Fachärzten und psychiatrischen Kliniken. Dass aber die Qualität der Behandlung nicht immer gut ist, liegt auf der Hand. Meine Erfahrungen liegen auch bei der Enttäuschung von Psychiatrien. Oft sind diese überfüllt und personell unterbesetzt sodass es hier noch viel Handlungsbedarf gibt, auch im Hinblick auf die Zunahme der psychischen Beschwerden in unserer Gesellschaft.
Ich wünsche mir für die Zukunft mehr Transparenz und Ehrlichkeit in der Gesellschaft und ein unverkrampftes Reden / Erzählen über psychische Probleme. Nur wenn man darüber redet, versteht man die Betroffenen auch mehr und baut eine Ausgrenzung ab. Ich selber hätte früher nie gedacht, dass es mich dermaßen erwischt, aber es ist passiert und die Geschichte lässt sich nicht mehr ändern. Darum freue ich mich für eine gewisse Lebensqualität, die ich mir nach all den Jahren erarbeitet habe und fähig bin darüber zu sprechen.
Es gibt Hilfe !