Die alte Dame kehrte in ihr Büro zurück.
Sie setzte sich an den Schreibtisch und öffnete ihren MacBook.
Im Lichte des Bildschirms las sie konzentriert die Mails, die während ihrer Abwesenheit eintrafen, aber es schien nichts Wichtiges dabei zu sein.
Sie lehnte sich in ihren bequemen Stuhl zurück, lehnte ihren Kopf an und schloß die Augen…
Sie sah sich als vierzehn jähriges Mädchen inmitten einer zerstörten Stadt.
Sie sah sich selbst, als wunderschönes Mädchen, mit einem langen blonden Zopf und eine Strahlkraft in ihren grauen Augen.
Doch sie war nicht allein inmitten des zerbombten Berlins. Leichen, Tote und Soldaten umgaben sich um sie.
Doch die Soldaten waren keine deutsche Soldaten.
Es waren Rotarmisten, die sie verschleppten und einer nach dem Anderen, sich an ihr verging…
Szenenwechsel.
Sie sieht sich selbst auf einem Podium in einem großen Plenarsaal in den späten 50´ern.
Als eine starke Frau, hielt sie eine flammende Rede vor einer Schar an Männern und fordert von der Bundesregierung, das verlorene Ostpreußen wieder an Deutschland einzugliedern.
Sie ist nun eine verheiratete Frau mit einem bekannten Firmeneigner aus der westdeutschen Hauptstadt. Gemeinsam engagieren sie sich für die Belange eines neuen Deutschlands.
Szenenwechsel.
Die 70ér samt studentischen Unruhen und dem Schrei der Jugend nach Freiheit und Liebe.
Sie ist nun eine erwachsene Frau und Mutter von zwei Töchtern.
Als Mitglied des rechten Flügels der Konservativen verurteilt sie das anti-deutsche Verhalten der eigenen deutschen Jugend.
Fest entschlossen, dieses Deutschland wieder groß und stark zu machen, verurteilt sie auch das Ankommen der ersten Gastarbeiter in ihrem weißen Land.
Szenenwechsel.
Ihre eigene Tochter, eine schöne weiße Deutsche, ist mit einem Türken liiert.
Der Türke war zwar gebildeter Herkunft, überaus attraktiv und zuvorkommend, aber eben kein Deutscher.
Aus Wut vor der Entscheidung ihrer eigenen Tochter, verbannt sie ihr eigenes Fleisch und Blut aus ihrem rechten Leben.
Szenenwechsel.
Sie hat es geschafft. Sie ist nun Vorsitzende einer aufkeimenden deutschnationalen Partei.
Das demokratische Klima der Bundesrepublik kippte nach rechts und es sollte nicht mehr lange Dauern, bis aus der kleinen Partei, eine Stimme der Weißen wurde.
Deutschland holt sich wieder, was ihm zusteht. Das Land, die Hautfarbe, den alten Hass.
…Langsam öffnet sie wieder ihre Augen und kehrt im Geiste in die Gegenwart zurück.
In ihrem Abgeordnetenbüro im Berliner Reichstag schloß sie ihren Computer, bestellte einen Fahrer, der sie zurück in ihre Abgeordnetensuite kutschierte.
Es war spät des Tages. Sie werde den Schlaf brauchen in ihrem Kampf um ein neues altes Deutschland.