Er wartete bis alle Journalisten den Raum verließen. 

Schließlich blieb er allein mit seinem engsten Berater und sprach mit ihm. Über den Zustand des Landes, der Nation, der Gesellschaft und die Macht in diesem Wüstenstaat.

Beide Männer waren sich einig, dass der Weg um Reformen nicht vorbei gehen würde, aber trotzdem müsste jedem Bürger klar sein, dass die Macht des Königs nicht untergraben werden dürfte. 

Zu Tee und Gebäck diskutierten die Männer über das weitere Vorgehen im Poker der Macht auf der Welt. Es war aber eher weniger eine Diskussion im demokratischen Sinne, als ein Versuch des engsten Beraters das politische Kalkül des Königs nicht zu hinterfragen. Das war überlebenswichtig für die diplomatischen Künste des Beraters. Dem König glauben zu lassen er tue das Richtige und der Berater ihm lediglich dabei half, dessen Taktik den letzten Schliff zu geben. In einer absolutistischen Monarchie rollen die Köpfe sehr schnell. Manchmal zu schnell, was den Politikern in dieser Supermacht  Angst einflößte, ja dem Willen der Monarchen nicht zu hinterfragen. 

Das junge Volk schrie und ächzte nach Veränderungen, nach Modernisierungen, nach mehr Freiheit. Dies war auch dem jungen König klar, der alles tat um seine Macht in diesem Land zu festigen. 

Die kleinen Reformen die beschlossen wurden  waren aber eher kosmetischer Natur, die alte steife Macht als modern und zeitgemäß zu tarnen.

Eine Monarchie lebt vom Konservatismus und nicht von gesellschaftlichen Veränderungen, die neue Ideen und frischen Wind in eine Gesellschaft tragen.

MBS war jung, gutaussehend und charismatisch. Eine Hoffnung für alle junge Menschen in dieser Nation aufgewachsen mit westlichen Ideen, westlichen Lebensgefühlen und westlichen Autos.

MBS ist König. MBS ist ein alleiniger Staatsherrscher. Vor allem aber ein moderner Diktator.

Unter dem Tarnmantel der Staatsreligion, dem Anspruch als Nachfolger des großen Propheten und als Wahrer dessen Traditionen verfolgte MBS eine blutrote wie gewaltvolle Politik des Einschüchterns. Bloß dass dieses Kalkül ihm öffentlich nicht zugeschrieben wurde. 

Nach ein paar Worten beendeten die beiden Männer das Gespräch und der engste Berater verließ den prachtvollen Saal und kehrte in sein Hotel in der Hauptstadt zurück.

Mit den Worten ´´ Möge Gott dir ein langes Leben schenken ´´ verabschiedete der König seinen treuen Gefährten. 

Nun war MBS allein in seinem Palast. Allein in seiner Privatsphäre und sein eigenes geheimes ziviles Leben.

Der Terminkalender eines jungen Monarchen ist stets voll. Im Gegensatz zu gewissen Royals im alten Kontinent, ist das royale Leben in diesem Wüstenstaat ganz anders. Hier geht es nicht um Einweihungen von Denkmälern, Museen oder der Auszeichnung von Sportlern. Nein. Das royale Geschäft in der Wüste ist gespickt mit Mord, Folter und Angst. Das Recht des Stärkeren. Das Recht der blanken Macht. Das Recht des Geldes. Die Beibehaltung der Dynastie. Das Unterdrücken von Oppositionellen und schließlich ihre diskrete Beseitigung.

Das ist das Geschäft in dem der junge Mensch aufgewachsen ist. Als achter Sohn der dritten Ehefrau des vorigen Königs war er dazu erkoren, die Geschicke des Landes zu führen und zu behaupten. Schon von Kind auf wurde im gelehrt, dass Stärke eines Königs nur durch Härte und Gewalt bewiesen werden kann. Wer schwach ist verliert. Wer sich unterordnet verliert. Wer verliert ist des politischen Machtes nicht wert. 

Die späten Abendstunden verbrachte MBS gerne vor dem Fernseher und seinem Smartphone, wo er besonders gerne soziale Medien nutzt um Kontakt zu seinem Volk zu finden.

Während er die Nachrichten auf seinem Handy liest, fällt ihm ein sehr beachteter und viel rezensierter Kommentar zu einem seiner letzten Posts auf. Es handelte sich um einen jungen Autor aus Deutschland mit arabischen Vorfahren. Interessiert liest MBS dessen Einträge und sein Interesse wuchs an diesem jungen Intellektuellen. Eine Mischung aus Zorn und Faszination keimte im Kopf des Herrschers. Zorn um dessen Kritik und Faszination um die Erfolge des jungen Autors in seiner deutschen Heimat. Nach ein paar weiteren Gedankengängen rief MBS schließlich den Chef des Geheimdienstes an und bat ihn um die Ausspähung eben diesen jungen Autors.

Der Agent versprach alles über den deutschen Staatsbürger herauszufinden und den König mit Informationen zu versorgen. 

Es vergingen ein paar Tage, die gefüllt waren mit den üblichen politischen Geschäften als MBS einen Anruf vom Geheimdienstchef erhielt. Dieser berichtete ihm, dass der junge Autor sauber wäre. Er war ein sehr erfolgreicher und anerkannter Autor in Deutschland und schrieb viele beachtete Texte, die auf große politische Resonanz in Europa stießen. Schließlich fragte der Geheimdienstler dem König welchen Zweck die Ausspähung des jungen Schriftstellers diene.

Der König überlegt kurz und bat seinem Untergebenem diesen Autor in sein Königreich einzuladen. Verwundert versprach der Agent dem jungen Mann aus Deutschland in das weit entfernte Königreich zu einer Audienz einzuladen…

…der Raum war festlich geschmückt. Die riesigen roten Ledersessel und ein kleiner Tisch standen in der Mitte. Die Tür zu diesem Raum wurde geöffnet und ein hagerer junger Mann mit Brille und wilden dunklen Locken betrat den Raum. MBS, in einem langen weißen Gewand gekleidet, hob beide Arme und begrüßte den Gast aus Deutschland. Nach dem üblichen Handshake verließen alle Reporter und Gesandte den Raum und die beiden Männer waren allein.

Der junge Gast zögerte mit den Worten bis der König zu sprechen begann:

´´ Mein sehr geehrter Gast aus Deutschland. Ich begrüße Sie zu dieser Audienz und freue mich Sie in meinem Land willkommen zu heißen. Mit Freude wartete ich auf ihren Besuch. ´´

Der Schriftsteller schaute ruhig und gelassen in die dunklen Augen des Herrschers und bemerkte seine Verwunderung in dieses entfernte Land eingeladen zu sein.

Der König erwiderte:

´´ Ich habe Sie aus einem triftigen Grund hier eingeladen. Sie sind ein kluger Mann. Sagen Sie mir, warum hassen mich die Menschen in Europa ? Warum zweifeln sie meine Autorität und Macht an ? Warum akzeptieren die europäischen Intellektuellen nicht unsere Lebensart ? Warum reichen mir die Europäer nicht die Hand ? Ich bin als König geboren und tue alles für mein Land. Warum verachtet der Westen mich ? ´´

Der junge Autor blickte ihm ruhig und tief in die Augen. Er kramte eine Zigarettenschachtel aus dessen Innentasche des Sakkos und zündete sich gelassen eine Kippe an.

Schließlich begann er zu sprechen:

´´ Der Grund warum die Menschen ihnen ihre Autorität nicht anerkennen ist sehr einfach. Sie als Herrscher leben nicht von der Zustimmung des Volkes, sondern nur der Anerkennung ihres Vaters, dem vorigen Herrscher. Sie wissen nicht die Gunst der einfachen Bürger zu wissen, denn die Bürger wissen nicht um ihre Gunst zu leben. Menschen streben nach Freiheit, einem guten Leben. Um es ihnen verständlich zu machen, erkläre ich es ihnen so: Kennen Sie die Geschichte des Königs der sein Volk nicht verstanden hatte ? 

Der König regierte ein kleines Reich und lebte von den Abgaben der Bauern und Untertanen. Als Seuchen und Missernten das Land heimsuchten, litten die Menschen. Der König, geschützt von großen Mauern und Festungen blieb vom Elend verschont. Erst als die Abgaben der Bauern nicht mehr das Schloss erreichten wurde dem König von dieser Krise bewusst. Doch was kann ein König gegen die Launen der Natur tun ? Auch ein König ist nicht Allmächtig und ist der Letzte, der von seiner eigenen Hinrichtung durch das revoltierende Volk erfährt. Die Natur des Menschen ist es viel Leid zu ertragen, aber eben auch nach mehr zu streben. Die Freiheit ist ein kostbares Gut der Menschheit. Erst durch Freiheit erleben wir Fortschritt und Reichtum für alle. Die Freiheit ist es, die unsere Geschichte prägt und als Sieger der Geschichte erkennen lässt für unsere Nachfahren. Sie sind König. Sie haben sich diese Bürde nicht ausgesucht. Wahrscheinlich sind Sie der unfreiste Mensch in ihrem Königreich. Sie leben von der Zustimmung der Macht, der Autorität. Das Volk draußen lebt nach eigene Gutdünken. Wenn Sie Fortschritt und Reichtum für ihr Königreich wollen, so lassen Sie die Menschen leben.´´

MBS schaute den Intellektuellen an und wusste nicht darauf zu antworten. Noch kein Mensch maß sich an, so mit einem Herrscher zu sprechen. 

MBS wusste nicht ob er mit Wut oder Respekt zu reagieren habe und schwieg. 

Daraufhin übernahm der Gast wieder das Wort:

´´Es war schön ihr kleines Königreich besuchen zu dürfen. Aber ich denke es wird Zeit für mich wieder in meine Heimat zurückzukehren . Es war Nett mit ihnen geplaudert zu haben. Ehrlich gesagt habe ich noch nie in meinem Leben mit einem echten König gequatscht. Ich werde es in mein Tagebuch dokumentieren und in Erinnerung behalten.´´

Da stand der Gast einfach auf und ging die Tür hinaus.

Verdutzt saß der Herrscher allein im Raum und ihm wurde Klar, dass er als absolutistischer Machthaber bloßgestellt wurde.

Der König kehrte in seine Gemächer zurück und in das alte politische Geschäft seines Landes zurück. Diesen Besuch würde er nie vergessen.