Maciej ist jetzt sieben Jahre alt.
Seine Mutter kommt morgens in sein Zimmer mit einer großen Torte in der Hand.
Es ist der erste August 1944.
Maciejs Geburtstag und der Beginn des Warschauer Aufstandes gegen die deutschen Besatzer.
Maciej steht aufgeregt auf und umarmt seine Mutter. Ein Lächeln entglitt sein Gesicht im Angesicht dieser großen Torte die seine Mutter teuer beim Konditor nebenan besorgt hatte.
Die zwei sitzen nun in der kleinen Küche im Warschauer Stadtteil Wola und essen zum Frühstück die Torte.
Maciej lacht sehr viel.
Seine Mutter schaut ihn voller Liebe an.
Es war ein besonderer Moment. Ein besonderer Anlass, den Maciej in seinem ganzem Leben nie vergessen solle.
Später waren noch die Kinder aus der Nachbarschaft eingeladen, um seinen großen Tag zu feiern.
Auf dem kleinen Hinterhof der Mietskaserne spielten nun die Kinder, während Maciejs Mutter am Fenster steht, ihnen beim Spielen zusieht und sich eine Zigarette anzündet.
Freude und Trauer mischen sich in ihren Gedanken.
Freude über den Geburtstag ihres einzigen Kindes und Trauer um den Vater, der während des Einmarsches der Deutschen ums Leben kam.
Sie dachte nach. Nicht viel über den Krieg, aber wie sie ihr Kind als Alleinerziehende ernähren und versorgen soll. Schon jetzt verdiente sie nicht viel als Näherin in einer Fabrik und musste jeden Pfennig doppelt umdrehen, um über die Runden zu kommen.
Diese herrliche Geburtstag konnte sie sich eigentlich nicht leisten, aber sie griff auf Rücklagen zurück, um ihrem Kind diese seltene Freude zu schenken.
Noch eine Weile schaute sie den Kindern beim Spielen zu, ehe sie sich zum Rosenkranzgebet in die Stube zurückzog. Es war jetzt 13 Uhr…
…17 Uhr…
Eine laute Explosion und mehrere Schüsse donnern durch Warschau, die Hauptstadt Polens.
Ein Krieg im Krieg entbrannte. Die polnische Heimatarmee griff zu den Waffen, um ihre Hauptstadt zu befreien.
Maciej rannte voller Angst in das Haus, wo seine Mutter ihn tröstend in die Arme nahm.
Der Krieg kam schon wieder nach Warschau. Mit voller Wucht.
Immer näher die Schüsse und Explosionen aus dem Stadtzentrum und immer größer die Angst der Zivilisten vor diesem Krieg.
Maciej sah noch nicht viel von diesem Krieg. Er war spürbar zu hören und vernehmen, aber in Wola noch nicht angekommen.
Maciejs Mutter sprach ein Gebet und hielt die Hand ihres Sohnes. Sie hatte Angst und versuchte gleichzeitig Maciej die Angst zu nehmen.
Beide harrten in der Wohnung aus, hoffend dieser Horror würde vorbeiziehen…
…und der Horror kam…
Polnische Aufständische erreichten Wola. Die deutschen Besatzer marschierten auch hier ein mit Panzern und Infanterie.
Immer deutlicher die Härte und Brutalität dieses Konfliktes, der jetzt die ganze Stadt erreichte. Aus den Fenstern sahen die Bewohner, wie sich Polen und Deutsche harte Kämpfe lieferten und die Zivilisten immer mehr in das Kampfgeschehen eingebunden wurden.
Gerade als Maciejs Mutter voller Angst an einer Zigarette zog, zerbrachen die Fensterscheiben. Ein Panzer rollte zwischen den Mietskasernen und schoss in alle Richtungen. Polnische Aufständische warfen Molotowcocktails, während sie sich in das Innere der Mietskasernen zurückzogen.
Plötzlich krachte die Haustür auf und polnische Soldaten stürmten in die Wohnung. Sie trugen Gewehre und Granaten, aber nichts womit man einen deutschen Panzer zerstören könne. Die Männer schreien, während die Mutter verzweifelt versucht ihr Kind in Sicherheit zu bringen. Die Männer befahlen ihnen, sich auf den Boden zu werfen, während Schüsse durch die Fenster fielen.
Gerade als Maciej, der auf dem Boden lag, aufblickte, schoss eine Kugel in den Raum und zerschmetterte den Kopf eines polnischen Soldaten.
Das Blut fetzte durch den Raum und lies die Wände rot färben.
Maciejs Mutter hielt ihr Kind, während Maciej bitterlich weinte, als eine Granate in das Haus einschlug…
…Maciej überlebte…Seine Mutter nicht…
Sein Geburtstag solle der der Todestag seiner Mutter werden.
Noch Zeitens seines restlichen Lebens wird Maciej diese Bilder aus seinem Kopf nie verlieren.
Der Moment an dem Warschau sich erhob und das Leben der Bewohner für immer veränderte.
Das ist der Krieg. Mit all seiner Härte und Brutalität.
Das ist der Krieg.