Ganz allein.

Das war sie schon zu lange.

Wie sehr sehnte sie sich doch nach einem echten Mann.

Starke Arme, die sie umschließen und ihr Geborgenheit schenken.

Zu lange war sie schon alleine.

Tagein tagaus ging sie zur Arbeit. Sie schuftet hart und kehrt stets müde nach Hause zurück. Vor dem Fernseher saß sie dann immer und schaute sich Filme an über die große Liebe. Dort auf dem Bildschirm sah sie dann all die schönen Menschen und wie sie sich liebten. Sie sieht attraktive Männer, begehrenswerte Frauen und das ewige Happy End jeder Geschichte.

Doch was würde aus ihrer Geschichte bleiben ?

Wohin würde ihr Weg gehen ? Gebe es auch für sie ein Happy End, wie in Hollywood ?

Doch von all dem schien sie weit entfernt.Viel zu sehr lebte sie im grauen Trott des Alltags und der Ohnmacht ihr Glück selbst in die Hand zu nehmen.

Doch im Leben ist nichts gewiss. Das gilt auch für die Liebe und die Sehnsucht nach des Anderem Körper.

Es geschah an einem Zeitpunkt, der fernab von jedem Hollywood Film war. Gerade als sie auf dem Weg zur Arbeit war und in die enge Straßenbahn einstieg, fand sie zunächst keinen freien Sitzplatz. Sie stand einige Sekunden dort in der Straßenbahn und hat sich damit abgefunden, die Fahrt im Stehen zu verbringen.

Plötzlich hörte sie eine männliche Stimme.

Sie horchte auf und bemerkte einen jungen Mann, der am Fenster saß und mit einer Hand auf einen freien Platz neben sich zeigte.

Die Frau überlegte kurz, ehe sie beschloss dieses Angebot anzunehmen. 

Sie setzte sich zu diesem Mann und schaute ihn kurz an.

Er hatte pechschwarze lockige Haare und einen 3-Tage Bart im Gesicht auf der eine große Brille lag.

Innerlich schoß ihr in den Kopf, dass der Mann sehr attraktiv war, auf eine unkonventionelle Art. Und genau dessen unkonventionelle Art war es, die sie bald bemerken würde.

Der Mann neben ihr schaute sie von der Seite an und sprach sie an:

´´Wissen Sie wo ich aussteigen muss, wenn ich zur Friedrichstraße möchte ? ´´

Die Frau erwiderte seinen Blick und schaute in seine großen grünen Augen.

´´Ja, das ist die übernächste Station. Ich steige dort auch aus. Ich sage ihnen dann Bescheid. ´´

´´Das ist sehr freundlich von ihnen. Ich möchte nämlich zur Universität. Heute ist mein erster Tag dort. ´´

´´Sind sie ein Student ? ´´

Fragte die Frau den Mann.

Dieser lachte kurz:

´´Nein. Nein. Dafür bin ich zu alt. Ich bin Dozent und halte dort Lesungen vor den echten Studenten. ´´

Der Frau war ihre Bemerkung kurz peinlich. Der Mann schien dies zu bemerken, denn er antwortete:

´´Viele schätzen mich jünger ein als ich tatsächlich bin. Ich halte Vorlesungen zum Thema zeitgenössische deutsche Literatur . Wenn sie aussteigen, könnten sie mir dann nochmal die Richtung zeigen ? ´´

Die Frau reagierte verdutzt:

´´Dafür gibt es doch Smartphones. Das werden sie glaub ich auch allein finden. ´´

Da lachte der Mann wieder:

´´Ach wissen Sie. Ich frage gerne analog nach dem Weg. Da kommt man besser ins Gespräch. ´´

Da überlegte die Frau. Da hatte der fremde Mann wohl recht.

´´Na gut, da ich eh in die selbe Richtung gehe, zeige ich ihnen den Weg. ´´

´´ Fantastisch.´´ reagierte der Mann.

Schließlich hielt die Straßenbahn im gewünschten Ziel und die Beiden stiegen aus.

Der Mann griff in seine Innentasche eines braunen Sakkos und zog daraus einen Tabakbeutel, Zigarettenfilter und Blättchen hervor.

Er drehte sich eine Kippe und mit einem Blick, bot er ihr eine Zigarette an.

Die Frau schüttelte mit dem Kopf:

´´Nein, Danke. Ich rauche nicht. ´´

´´Sehr vernünftig.´´

Schmunzelte der Mann.

´´Wo müssen Sie eigentlich hin ? ´´

Fragt er sie fast beiläufig.

´´Ich arbeite als Angestellte im Versicherungszentrum. ´´

Der Mann schaute sie weiter an, während er an der Zigarette zog.

´´Ich arbeite im Büro.. ´´

Ergänzte die Frau.

´´Auch ich arbeite im Büro. Wenngleich öfters Zuhause.´´

´´Ich dachte sie sind Dozent ? „

Fragte die Frau.

´´Ja, so Nebenbei. Ich arbeite selbstständig Zuhause. Ich bin Schriftsteller . ´´

Da schaute die Frau ihn wieder an und eine leichte Neugier packte sie.

´´Schriftsteller ? Haben sie Bücher geschrieben ? ´´

Da lacht der Mann sie wieder an:

´´Sowas machen Schriftsteller. Sie schreiben Bücher. Genau das mache ich. Ich weiß, es ist kein seriöser Beruf, aber mir gefällt es. Ich kann mir die Arbeitszeit selber einteilen und dabei auf keine gesetzliche Raucherpausen achten. Ich fühle mich da sehr frei. Zur Uni gehe ich nur so nebenbei. Als kleines Taschengeld nebenbei, um den Studenten Zeugs zu erzählen, die sie auch selber auf Wikipedia finden würden.´´

Dieser recht eigensinnige und leicht schräge Mann bohrte mit seinem Verhalten und seine Art zu Reden immer mehr an ihre Neugierde. Oft behandelten die Männer im Büro sehr schroff oder halt distanziert. Dieser Mann war da von ganz anderer Natur. Sie kannte ihn erst seit ein paar Straßenbahnstationen, aber schon wirkte er auf sie vertraut und ließ das Eis schnell schmelzen.

´´Sagen sie liebe Fräulein, ich würde mich gerne für ihre Hilfe bedanken. Vielleicht auf einen guten und günstigen Kaffee in der Mensa ? ´´

Die Frau dachte kurz nach und eigentlich hielt sie nichts davon, sich fremden Menschen schnell anzufreunden. Nicht weil sie es nicht wollte, aber deshalb, weil sie es einfach nicht kannte.

´´Na kommen Sie. Geben sie sich einen Ruck. Den Kaffee spendiere ich. Da können sie nichts falsch machen. Außer ihre Geduld zu verlieren, wenn ich zu sehr mit alten Geschichten aushole. ´´

´´Okay. Können wir gerne machen. ´´

Nun saß die Frau mit einem fremden Schriftsteller inmitten junger Studenten in einer Mensa und trank Kaffee für einen Euro.

Der Mann an ihrer Seite wirkte sehr gelöst, denn er kaufte sich noch einen Keks zum Kaffee, den er zur Mitte durchbrach und ihr eine Hälfte anbot.

Gerade als sie nicht wusste, was sie zu erzählen habe, fing auch schon der Schriftsteller an entspannt zu erzählen:

´´Lesen Sie ? ´´

´´Ja ´´

Antwortete die Frau.

´´Was lesen Sie ? ´´

´´Naja. Halt gerne Romane über das echte Leben.´´

´´Genau. Das ist Richtig. ´´

Erwiderte der Mann.

´´Warum ist das Richtig ? ´´

´´ Schriftsteller erzählen Geschichten. Die besten Geschichten allerdings sind die, die das eigene Leben berühren oder aufzeigen wie es sonst gelebt werden könnte. Ich halte wenig von Science-Fiction oder Fantasiebücher. Das Leben des Menschen. Das ist die brutalste und ehrlichste Geschichte überhaupt.

Romane sollen uns nicht nur unterhalten. Nein. Sie sollen eine Bereicherung für den Leser sein. Wie ein Kompass, der einem die mögliche Richtung zeigen kann. Es bedarf bloß des Mutes, diesen Weg zu gehen. Mut, Das ist eine der wichtigsten Attribute eines wahrlich starken und freien Menschen. Alles andere ist nur Geschwafel, wie eine schlechte Theateraufführung des eigenen Lebens. Sie haben die Wahl. Frei sein oder sich dem Drehbuch eines Theaters beugen.´´

Da schaut der Mann durch seine große Brille tief in ihre blauen Augen.

Die Frau wusste nicht recht zu antworten, denn über solche Dinge hat sie sich nie Gedanken gemacht, gar mit einem Schriftsteller sich über sowas zu unterhalten.

Der Mann schaute weiter tief in ihre Augen und sie wusste, dass er eine Antwort erwartete.

´´Ich verstehe wovon Sie sprechen, aber ich weiß selber nicht recht wie ich zum Leben stehe. Ich arbeite halt, gehe meinen Pflichten nach und tue was nötig ist.´´

´´Genau. Sie tun ihre Pflichten anderen gegenüber, aber wann tun sie etwas für sich ? Pflichten hat jeder, aber die Wenigsten erfüllen ihre Pflichten sich selbst  gegenüber. Das ist unser Leben. Einzigartig und Wertvoll. Auf uns kommt es an. Das ist der Schlüssel für das Paradies auf Erden. Andere Schlüssel können die Pforte zum Glück nicht öffnen.

Denken sie an meine Worte… ´´

Eine Weile ließ die Frau diese Worte auf sich wirken und dachte über diese Worte nach und da erschrak sie.

War auch sie nicht fähig genug für sich selbst zu tun ?

War sie auch nur ein Zombie des Alltags, wenn sie nur tat was andere wollten ?

Gerade als sich räusperte unterbrach der Mann sie wieder:

´´Es tut mir sehr Leid. Es steht die nächste Vorlesung an. Diesmal das Thema Sexualität in der Literatur. Eines der spannenderen Themen heute. Danke, dass sie da waren. Vielleicht trifft man sich ja wieder zufällig in der Straßenbahn ? 

Ich muss leider los. Machen sie’s gut und auf Wiedersehen.´´

Da stand der Mann einfach auf und ging.

Er hinterließ eine Frau mit vielen Fragen ihm und sich selbst gegenüber. Eine solche Unterhaltung würde sie noch lange beschäftigen und ihr Gedanken machen.

Da schaute sie auf die Uhr und merkte ,dass die Mittagspause vorbei war. 

Sie ging zurück zum Büro, wischte ihre Gedanken beiseite und konzentrierte sich wieder auf die Arbeit.

Was bleiben würde ?

Das würde die Zukunft zeigen.