Sie sind jetzt seit 40 Jahren verheiratet.

Sie gab ihm alles. Ihre Jugend, ihre Unschuld, ihre Jungfräulichkeit.

Sie sind jetzt 40 Jahre verheiratet.

Es waren schöne Jahre. Es gab auch schlechte Zeiten. Sie heirateten, weil es sich so gehörte und zusammen lebten, wie es sich gehörte, zu einer Zeit, in der alles so sein sollte, wie es sich gehörte.

Sie sind jetzt 40 Jahre verheiratet. Beide spüren das Alter in den Knochen, das Ergrauen, die schwindende Kraft und die schwindende Liebe.

Sie gab ihm alles. Wann er es wollte. Wenn er es wollte.

Doch jetzt verlor er jeden Anreiz an ihrem alten Körper. Die fehlende Lust, das fehlende Interesse, die fehlende Wertschätzung.

Sie war einst eine wunderschöne Frau. Wunderschöne blonde Locken, die ihren zarten Haupt krönten und ein Antlitz der jugendlichen Schönheit.

Doch sie verlor mit der Zeit ihr Leben. Sie verlor die Liebe zu sich selbst und die Liebe zu ihm.

Ihr einziges Schicksal das blieb, hieß Herrmann.

Sie heirateten in einer Zeit, in der es sich für junge Frauen gehörte sich zu vermählen an einen Mann, der sie versorge.

Ob Herrmann sie je liebte ? Kann sein, aber davon ist in der Gegenwart nichts mehr zu spüren, schlimmer noch, der alternden Lethargie verfallen zu sein, in der es ein Zusammenleben gab, aber der Respekt irgendwo mit der Zeit verschwand.

Herrmann war ihr Ehemann.

Herrmann war der Mann ihrer Seite.

Ohne Herrmann wäre sie doch ganz alleine in dieser Welt, in der sie ohne Herrmann nicht zurecht käme.

Herrmann erschien in ihrem Leben und Herrmann blieb in ihrem Leben.

Mehr aber auch nicht.

Jetzt neigt sich das Leben dem Ende zu. Und da passiert es. Manchmal. Das Suchen nach Trost in ihrem trostlosen Eheleben.

Das Suchen nach etwas Glück und Wertschätzung.

Tief in ihrem Inneren, in ihrem Herzen, wusste sie es. Sie wusste, dass sie so nicht aus dem Leben scheiden wolle.

Sie wusste um ihren Frust, aber es fehle die Kraft ein neues Leben anzufangen, gar Mutig zu sein und sich für sich selbst einzustehen.

Diese Gedanken verfolgten sie lange an diesem Tage.

Es war ein Tag wie jeder Andere in ihrem bescheidenen Eigenheim am Rande dieser kleinen Stadt.

Sie setzte sich in die Küche und tat etwas, was sie vorher nie tat.

Sie zündete sich eine Zigarette an und rauchte diese genüßlich.

In ihrem Kopf malte sie sich ein anderes Leben aus und sie schwelgte in dieser Träumerei der vergangen Jugend und Kraft.

Doch all diese Gedankenwolken verschwanden so schnell, wie sie kamen.

Ihr Ehemann betrat die Küche und fragte nach dem Abendessen.

Da war Inge wieder in der Realität ihres greisen Lebens und machte sich daran, das Abendessen vorzubereiten. Hermann hatte Hunger. Das Essen mache sich ja nicht von selbst…