Unendliche Höllenqualen.

Unendliche Trauer.

Unsägliches Leid…doch keiner sieht es 

Sie steht vor dem Spiegel im Badezimmer.

Tränen kullern ihre zarte blauen Augen runter.

Tiefe Sorgenfalten an ihrem jungen Gesicht.

Die blonde Haartracht verfilzt und wuschelig.

Sie war noch so jung,

Erst zarte 20 Jahre jung,

Das Leben noch vor sich.

Doch sie glaubte nicht mehr daran.

Ihr Name war Lina.

Eine bildhübsche junge Frau .

In der Blüte ihres Lebens.

Doch diese Blüte verwelkt zu Angesicht ihres Verstandes.

Stimmen plagen ihren Kopf und ihre Seele.

Noch einmal schaut sie tief in ihr eigenes Spiegelbild, doch sie erkenne sich nicht daran.

Zu schwer und tief dieses unendliche Leid in ihrem Geiste.

Wo keine Hoffnung mehr sei, da sei keine Perspektive mehr, selbst für einen so jungen Menschen.

In ihrer Hand eine Rasierklinge…ihre verweinten Augen…die Entscheidung ihres Lebens…

´´Lina, steh endlich auf. Du musst zur Schule.´´

Lina wachte auf und hörte die Stimme ihrer Mutter.

Es war noch sehr früh am Tage und sie war noch sehr müde, doch irgendwas sei anders diesmal.

Sie fühlte sich ausgesprochen leer und ausgelaugt.

Ein Gefühl, das sie so noch nicht kannte.

Lina war sonst ein sehr aufgewecktes, fröhliches und dem Leben zugewandter Mensch.

Doch diesmal fühlte sich alles anders an.

Sie stand auf und hielt sich kaum auf den Beinen.

Benommen blickte sie sich um. Sie sah ihr sonst aufgeräumtes, helles und schönes Zimmer, das stilvoll und schlicht eingerichtet war.

Neben dem Schreibtisch und ihrem Himmelbett befanden sich diverse weiße Ikea-Regale, ne Handvoll Bücher darin und Fotos ihrer liebsten Freundinnen und der Familie.

Lina war die älteste Tochter der Familie. Ihr Vater war Professor für angewandte Philosophie an der Leibniz-Universität zu Hannover und ihre Mutter arbeitete als Pflegekraft in einer Wohneinrichtung für Menschen mit geistiger Behinderung.

Ihre jüngere Schwester Sina ging noch in der Mittelstufe auf das örtliche Gymnasium in Hannover und war wie Lina ein sehr ehrgeiziges und aufgewecktes Mädchen.

Lina verstand sich immer gut mit ihr. Sie waren nicht nur Schwestern, aber Freundinnen fürs Leben , die alle Geheimnisse miteinander teilten, wie der erste heimliche Kuss mit einem Jungen oder den Alkoholeskapaden auf irgendwelchen Partys.

Lina stand mitten und am Anfang ihres Lebens…bisher.

Noch immer benommen ging sie in das Badezimmer und schaute in den Spiegel. Irgendwas war anders an diesem Morgen, nur wusste sie nicht was es sei.

Langsam zog Lina ihre dunklen Jeans und weiße Turnschuhe an. Sie zog sich einen roten Hoodie über und ging in die Küche.

´´Mensch, du siehst ja heute benommen aus. Bist du gestern zu spät ins Bett gegangen ? ´´

Lina sah ihre Mutter an, die sich grade Kaffee einschenkte.

´´Nein, eigentlich nicht. Ich habe noch mein neues Buch gelesen und bin irgendwann eingeschlafen.´´

Ihre Mutter blickte sie noch einmal aufdringlich an, doch Lina wollte keine Mine verziehen. . Sie wäre sogar froh, wenn ihre Mutter sie nicht ansprach. Ein Gefühl, dass sie so nicht kannte. Ansonsten hatte sie ein sehr gutes Verhältnis zu ihrer Mutter. Sie redeten gern und oft viel um alle mögliche Themen…nur an diesem Morgen war Lina nicht danach, sich groß zu unterhalten.

´´Welches Buch liest du denn grade ? ´´

Lina schaute nochmal ihre Mutter an , doch sie hatte keinen Antrieb oder Motivation , um ihr etwas zu erzählen.

´´Ich gehe jetzt los, ich muss zur Schule…´´ 

Mit diesen Worten verabschiedete sie sich von ihr, nahm ihren Rucksack und ging los.

An etlichen Feldern und Wiesen entlang, ging sie zur nächsten Bushaltestelle . Beim Gehen sah sie all die Natur und den weiten Horizont . Linas Familie lebte an einem vornehmen Stadtrand von Hannover. Hier reihten sich die schönen Landhäuser aneinander in der auch das Haus von Linas Familie stand. Es fehlte ihnen an nichts. Beide Elternteile verdienten gut und auch die Harmonie stimmte in der Familie. 

Ihr Vater war oft früh aus dem Haus, um seine Vorlesungen in der Universität zu halten. Der Vater war von überaus sympathischer Natur, ein Liebling unter den Studenten und ein hoch angesehener Philosoph an der Hochschule. Oft fuhr dieser mit seinem alten Mercedes in die Stadt und auch Zuhause arbeitete er viel für seinen Studiengang. Meistens Abends saß die Familie zusammen zum Abendessen und erzählten von ihrem Tag. Dabei war der Vater nach ein, zwei Gläsern Rotwein sehr beschwipst und erzählte gerne seine Geschichten aus dem Alttag der Universität. Linas Mutter arbeitete Teilzeit in einer Wohneinrichtung und auch sie war einem Glas Rotwein und dem Humor nicht abgeneigt, auch wenn dieser oft einen schwarzen Schliff hatte.

Sina dagegen war immer etwas eher introvertierter und erzählte der Familie nicht viel aus ihrem Leben und war von Natur aus etwas schüchterner als es die redselige Lina war.

Gerade dachte Lina beim Gehen noch an ihre Schwester , die erst später zur Schule musste, da hörte sie schon den Bus zur Haltestelle brummen. Doch plötzlich zuckten ihre Ohren ungemein. Dieses Brummen hörte sich deutlich intensiver und lauter an, als es sonst der Fall war. Einen Augenblick lang  dachte sie, sie könne dieses Geräusch nicht ertragen , da hielt der Bus schon an.

Lina stand genau vor der Tür des Busses, die sich gefühlt unglaublich schnell öffneten. Einige Sekunden stand sie vor dem Bus und fühlte sich sehr benommen.

´´Junges Fräulein, steigen sie jetzt ein oder nicht ?! ´´

Das laute Rufen des Fahrers schreckte sie auf und ging in den Bus hinein.

Sie blickte in den Bus und spürte eine ungewohnte Anspannung darin. So manch Augen waren auf sie kurz gerichtet, doch fühlten sich diese wie Feuer an, die ihren zarten Körper angriffen.

Bewusst suchte sie sich einen Platz fernab der anderen Insassen , aber doch bescherte sie ein ungutes Gefühl dabei. Irgendwas war anders an diesem Morgen, sie wusste nur nicht was.

Der Bus fuhr etwa 20 Minuten Stadteinwärts ehe er vor der Schule hielt.

Sie stieg aus und ging dabei den gewohnten Weg wie immer, doch diesmal viel ängstlicher und empfindlicher als sonst.

Die ersten Freundinnen begegneten ihr, die sie herzlichst begrüßten doch Lina verzog keine Miene. Irgendwie fühlte sie sich ihren Freunden gegenüber äußerst kalt und desinteressiert.

´´Lina, alles in Ordnung mit dir? ´´

Lina schaute kurz ihre beste Freundin Lena an, doch ohne ein Wort zu sagen ging sie einfach vorbei und in den Klassenraum.

Sie setzte sich an die hinterste Reihe und blickte um sich.

So viele junge Menschen, so viele Freunde und Bekannte und doch an diesem Morgen fremd und weit weg von ihr.

Frau Kuba, ihre Geschichtslehrerin, betrat den Raum mit einem lauten ´´Guten Morgen ´´und klatschte ihre Tasche auf ihren Tisch. Lina erschrak sich in diesem Moment schwer und zuckte zusammen.

Die Augen aller Mitschüler musterten sie, ihre Blicke bohrten tief in sie hinein, fast unerträglich. Ihr Leib brannte auf einmal, sie begann zu zucken und ihr wurde schwarz vor Augen.

Das war zu viel. Sie nahm ihren Rucksack, stürmte aus dem Raum und eilte nach draußen um endlich alleine sein zu können.

Gerade als sie nicht wusste, wohin mit sich, hörte sie ihren Namen rufen: ´´Lina , was ist los ? Bleib stehen ! ´´

Lina drehte sich um und sah ihre beste Freundin auf sie zu laufen:

´´Mensch, was ist denn bloß los mit dir ? Du bist heute ganz anders als sonst. Ich mache mir Sorgen um dich ! ´´

Da rann es aus Lina heraus. Schwere Tränen kullerten ihrer zarten Wange herunter. Entgeistert sah sie Lena an und brach in sich zusammen…

Wenn ein Schicksal dich ereilt

Du nicht weiß zu machen sich bereit

Für diesen Schritt des neues Weges

Dich einzusperren in des Hauses Krankes Geheges 

Schönheit und Jugend

Zu finden dahinter jede Tugend

Brennen der Seele

Alleine vor des schwarzen Meeres

Dämon und Engel sich über dir plagen 

Und du nur noch kannst Klagen 

Schmerzen der Leere 

Du nicht weiß wo das Glück läge

Er ist jetzt da und bleibt stark unendlich

Dein neuer Schicksal dich zu verletzen wie ein Stich 

Willkommen in der Welt des Kranken 

An der sich unendlich Mythen ranken 

Jetzt bist du hier und ich da

Als wenn nichts mehr, wie es vorher war

´´Ihre Tochter leidet an einer schweren Form der Schizophrenie.

Häufig erkranken die Betroffenem in ihrer Jugend an dieser Erkrankung. Die Vorsymptome deuten daraufhin , dass Lina in eine Psychose gerutscht ist. Was sie jetzt brauche ist Ruhe und sie sollte einige Wochen in unserer Psychiatrie bleiben. Ich verschreibe ihr zunächst Abilify , ein Medikament mit nur leichten Nebenwirkungen , den wir oft jungen Patienten geben. Ich bin zuversichtlich, dass Lina wieder gesund wird. Ich weiß, dies ist ein gravierender Eingriff in ihr Leben, aber Liebe reiche hier nicht aus. Sie brauche jetzt unsere professionelle Hilfe. ´´

Lina lag noch in ihrem Bett und blickte sich um. Sie befand sich in einem sterilen hellen Raum, in der es neben dem Bett nur einen Tisch einen Stuhl und einen Kleiderschrank gab.

Sie wusste , wo sie war. Es ist tatsächlich passiert. Sie befinde sich in der Psychiatrie.

Plötzlich klopfte es an der Tür und eine junge Pflegerin betrat den Raum:

´´Guten Morgen . Ich hoffe du hast gut geschlafen. Es wird Zeit aufzustehen. Du musst noch deine Medikamente nehmen.´´

Lina raffte sich auf, stand auf und nahm die Tabletten in die Hand. 

Sie schaut diese zwei kleine Pillen an, die sie jetzt begleiten und helfen sollen. Einen kurzen Moment dachte sie daran, die Tabletten einfach nicht zu nehmen. Sie fühle sich in letzter Zeit sehr schläfrig, müde und benommen. Kurz gesagt, sie fühlte sich wie ein Zombie.

´´Nehmen sie jetzt die Medikamente ein ? ´´

Lina überwand sich , schmiss die Tabletten ein und mit einem Schluck Wasser schluckte sie die Pillen.

´´Sehr gut. Gleich beginnt die Morgenrunde. Außerdem steht ihr Frühstück noch im Aufenthaltsraum . Das nächste Mal solltest du früher aufstehen.´´

Das Leben in der Psychiatrie

Ein Ort wie die größte Anarchie oder Autokratie

Zu wissen wo man sei

Doch der Verstand sich verfließe allerlei 

Zu fühlen wie ein Block aus Blei

Und die Seele zerbrechlich wie ein rohes Ei

Willkommen in dieser Welt

In der es sich nicht finden vermag ein Held

Jetzt bist du hier und die Seele da

Glaube mir, deine Träume zerfallen so wahr

Die Geschichte kann hier nicht enden, aber der Ausgang ist Ungewiss.

Die Geschichte könne sich darum handeln, wie Lina Gesund und Glücklich oder Traurig wird.

Die Geschichte könne gut oder schlecht enden.

Menschen , die psychisch erkranken stehen vor einer Entscheidung , die sie nicht wollten.

Leben, Leiden, Genesen oder seelisch verwesen ?

Die Geschichte könne damit enden , dass alles gut wird oder sie ende in einem Badezimmer und der Rasierklinge in der Hand.

Wie wird Lina sich entscheiden ?

Fortsetzung folgt…