´´Ich erzähle dir eine Nachtgeschichte mein Sohn. Ein einsamer Mann stand wie jeden Abend vor einem Schrein. Immerzu blickte er in das Gehäuse aus Stein und schrieb darauf. Er schrieb über all das Gute, all das Schlechte und das Wunderbare im Leben. Immerzu schrieb er jeden Abend über das Leben am Tage und die Träume in der Nacht. Danach wandte er sich ab und begab sich in das Reich der nächtlichen Träume. Dieser Mann war die Zukunft , die Gegenwart und die Vergangenheit des Lebens. Das Leben sei kurz und passe nur in das steinerne Gehäuse dieses Schreins. Dieser Schrein ist das Grabstein eines jeden Lebens, das zu Ende geht und im Schrein wie dem Grabe für immer festgeschrieben steht.´´
….Danach schlief der kleine Laurent im Arme seiner Mutter ein und begab sich in das Reich der nächtlichen Träume…
Langsam tippte der Knabe durch das Gewand der unvorhergesehen Dunkelheit und den Schleier des Verborgenen. Nichts spendete Licht, Orientierung oder auch nur einen Hauch von strahlendem Leben inmitten der Dunkelheit. In dem Moment , als der kleine Laurent zu verzweifeln begann , strahlte der Vollmond durch das Geäst des dichten Waldes und wies ihm einen Pfad vor ihm auf. Hoffnungsvoll schritt er diesen Pfad entlang , ehe der Wald sich lichtete und das Licht immer größer wurde. Im Zentrum dieses hellen Raumes erkannte er eine menschliche Gestalt vor einem großen Schrein aus Stein. Der Stein erstreckte sich monumental über der menschlichen Gestalt, während dieser dicht davor stand und fast in dieses überzugehen schien.
Argwohn übertönte die Gefühle des Knaben. Angst und Neugier stritten sich und wusste keinen Sieger hervorzubringen. Plötzlich erstarrte die menschliche Gestalt. Wie aus Trance entfernte sie sich langsam vor dem Schrein und verschwand im Dunkel des Waldes.
Behutsam näherte sich Laurent dem Stein , der nun über ihm ragte und er erkannte Schriftzeichen auf diesen. Er las:
´´Mein Name ist Laurent. Dies ist der Ort meiner Geburt und meines Todes. Dies ist meine Geschichte , geschrieben und verewigt auf diesem Stein, dem Zeugnis meines Todes wie des Lebens. Dieser Schrein ist meine Geschichte, mein Leben, das Abbild meiner Seele und Leibes.´´
…Licht zerschmettert jede Dunkelheit. Die Töne der wachen Welt erbrechen die Stille der Nacht. Laurent öffnet die Augen. Er sieht die Augen seiner Mutter, die ihn am neuen Morgen, einem neuen Tag begrüßt. Das Leben klopfte an. Er begann nun seine Geschichte des Lebens auf dem Schrein zu schreiben…