Hungrig stand sie in der Kälte vor dem Eingang des Supermarktes.
In der einen Hand ein leerer Becher für Spenden, in der Anderen eine selbst gedrehte Zigarette. Sie tue alles um zu überleben . Wirklich alles. Oft streift sie durch die Vergnügungsviertel der Großstadt , suchend nach Pfandflaschen oder ein paar Cents, gar ein paar Euro-Münzen.
Prostitution gehöre dazu, das Verkaufen der nicht mehr existierenden Träume und das Begraben der Wünsche im Suff des Alkohols. Als junge Frau kam sie aus El Salvador nach Deutschland. Alles solle besser werden . Aber alles wurde schlimmer. Das Schicksal tausender Seelen , gestrandet an den Hauptbahnhöfen dieser Republik. Welch gerechte Republik solle das sein ? Wo bleibt der materielle und soziale Wohlstand ? All diese Fragen verschwammen , als ein Freier sie für einen kurzen Oralverkehr bezahlen wollte. Sie tat dies. Sie nahm das Geld. Doch sobald es wieder weg war , stand sie dort schon wieder. Ein Mensch sich selbst überlassen…
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Er trauert. Trauert um das Schicksal seiner Frau, ein Schicksal , das ihn zerstörte zu Gedächtnis ihres Todes. Aus Polen in das gelobte Land gekommen, auf der Suche nach Arbeit und ein Zuhause. Deutschland wurde ein Zuhause für ihn, doch diese neue Heimat verriet ihn und überlasste ihn im Sumpfe des Elends in den sozialen Brennpunkten der Nation. Er wurde für seine Arbeit nie bezahlt , wurde ausgenommen und sozial zur Seite gestreckt und gedrückt. Wo bleibe das deutsche Versprechen des Grundgesetzes, die Unantastbarkeit der Menschenwürde ? Wo bliebe die Menschlichkeit ?
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Auf einem überfüllten Boote nach Europa getrieben. Europa, welch herzliche sanfte Anekdote des Wohlstandes, Freiheit und Brüderlichkeit. Ach, dieses wunderschöne Europa, wonach sich die halbe Erdkugel sehnt und trachtet. Er war doch erst 16 als er diesem Gelobnis folgte .Er hat es geschafft , er überlebte die Überfahrt. Jetzt bliebe nur noch die europäischen KZ´s an den Außengrenzen zu Überleben. Wenn er dieses Gefängnis überstehe , überstehe er auch den kommenden Hindernissen an ein Leben in Würde und Frieden.
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Sie war dick. Sie war nicht schön, jedenfalls in der oft oberflächlichen Art der deutschen Männer. Ja, sie ist in die Jahre des Alters gekommen, sehnte sich stets nach einem starken Mann, der sie umarme und mit ihr schliefe. All dies besaß sie nicht. Also flüchtete sie aus dem Norden der Welt, südlich in die Hemisphäre der Aufmerksamkeit und die Möglichkeiten von Männern umgarnt zu werden. Ja, sie wolle noch in ihrem Alter leben, geliebt werden und betrachtet zu werden. Angekommen in diesem Idyll der schnellen Liebe fand sie ihn. Einen jungen Mann ihrer Träume. Sie nahm ihn mit, schlief mit ihm, ließ sich von ihm verwöhnen und auf Wolke 7 schweben lassen. Doch auch dieser Mann sei irgendwann weg, samt Geld und Wertschätzung.
So steht es um die zerrütteten Schicksale unseres Landes, Kontinents und der Welt…